Werden für ein Wohngebiet neue Straßen und Kanäle gebaut, tragen die Eigentümer der dortigen Immobilien zu 90 Prozent die Kosten. Die jeweiligen Rechnungen schreiben die Kommunen. Oft kommen die Forderungen der sogenannten Erschließungsbeiträge Jahrzehnte später. Eine zeitliche Grenze gibt es praktisch nicht. Dieses Vorgehen hat das Bundesverfassungsgericht am Beispiel eines Falls aus Rheinland-Pfalz jedoch für verfassungswidrig erklärt.
Reformvorschläge reichen nicht aus
„Es besteht also Handlungsbedarf“, konstatiert Preuß. Aus diesem Grund hat die SPD-Fraktion im Landtag beantragt, eine bürgerfreundlichere Neuregelung zu finden und schlägt eine Verjährung für die Beiträge zur Ersterschließung nach 20 Jahren vor. Die regierungstragenden Fraktionen von CDU und FDP sprachen sich in der Debatte sogar für eine 15-jährige Frist aus. „Beides ist aus Sicht von Eigentümern unzureichend“, kritisiert Preuß. Erstens sei der Zeitpunkt, ab dem die Verjährungsfristen beginnen, für Bürger häufig intransparent. Zweitens seien zwei Jahrzehnte ein zu langer Zeitraum für die Erstellung der Beitragsrechnung.
Schnelle Klarheit für Eigentümer
Der Vorschlag des Verband Wohneigentum lautet daher: Sobald eine Baumaßnahme im Rahmen der Erschließung durch die Kommune abgenommen wurde, sollte die Stadt diese auch abrechnen können. „Es ist dann vertretbar, dass sie hierfür eine kurze Frist von vier oder fünf Jahren hat“, meint Preuß. Denn: Auch im privaten Baurecht gäbe es schließlich eine Verjährung von fünf Jahren. Das könne zwar dazu führen, dass die Erschließungskosten in mehreren Beiträgen fällig würden – das sei aber immer noch besser, als die Erschließungskosten auf den Sankt-Nimmerleins-Tag zu verschieben. „Man kann doch keinem vermitteln, dass der Bürger zu viel gezahlte Steuern oder eben auch Bauleistungen im privaten Bereich nur nach fünf Jahren noch geltend machen kann, die Kommunen ihre Erschließungsbeiträge aber noch nach 15 oder 20 Jahren abrechnen dürfen“, findet Preuß.
Wichtig sei außerdem, den objektiven Zeitpunkt der Bauabnahme als Maßstab für die Erhebung zu wählen und nicht den sogenannten Eintritt der Vorteilslage oder aber den Zeitpunkt der „Enderschließung“.
„Beides sind theoretische Zeitpunkte, die für den Bürger nicht transparent sind“, meint Preuß. Die Bauabnahme sei jedoch ein klar definierter Zeitpunkt – schließlich sind mit ihr auch die Zahlungen an das ausführende Bauunternehmen fällig.
Erschließungsbeiträge oft erst nach Jahrzehnten abgerechnet
Wie absurd die aktuell angewandte Praxis ist, verdeutlicht ein Beispiel aus Düsseldorf. 2016 verschickte die Landeshauptstadt Bescheide für die „Ersterschließung“ der Straße „Auf’m Rott“. Gebaut wurde die Straße aber schon 1937. Allein die Gehwege wurden erst im Jahr 2009 fertiggestellt. In den Bescheiden – die Anwohner sollten bis zu 14.000 Euro zahlen – machte die Stadt dann Kosten für die Asphaltdecke geltend, die von Reichsmark in Euro umgerechnet werden mussten. Das ist ein Extremfall. Dass die Beiträge aber teilweise erst Jahrzehnte nach der eigentlichen Erschließung abgerechnet werden, ist bei weitem kein Einzelfall.