Grundbesitzabgaben – welche Gebühren gehören dazu?
Praktische Informationen zu den Grundbesitzabgaben sowie Tipps zum Kostensparen.
Die Abwassergebühren waren in vielen NRW-Städten zu hoch. Mit einem neuen Gesetz verhindert die Landesregierung leider, dass Bürgerinnen und Bürger in Zukunft nur noch angemessene Abwassergebühren zahlen müssen.
Im Mai 2022 hat das Oberverwaltungsgericht Münster – unter anderem nach Klagen des Verband Wohneigentum – die Abrechnungs-Praxis bei den Abwassergebühren in vielen NRW-Städten als unzulässig erklärt. Es hat am Beispiel der Stadt Oer-Erkenschwick festgestellt: Viele Kommunen in Nordrhein-Westfalen haben den Bürgerinnen und Bürgern bisher zu viel berechnet.
Leider hat die Landesregierung mit einem neuen Gesetz die unangemessene Abrechnungspraxis in wesentlichen Punkten nachträglich wieder ermöglicht. Wir klären in diesem Artikel, was das für Bürgerinnen und Bürger bedeutet. Außerdem erläutern wir, in welchen Fällen Sie zumindest mit einer Erstattung von zu viel gezahlten Gebühren aus den letzten Jahren rechnen können.
Kurz zusammengefasst:
Die Einnahmen aus den Abwassergebühren waren höher als die Kosten der Abwasserbeseitigung. Das hat das Oberverwaltungsgericht Münster im Mai 2022 in einem Musterverfahren gegen die Stadt Oer-Erkenschwick festgestellt. Das ist grundsätzlich nicht erlaubt, denn aus Gebühren dürfen eigentlich keine Gewinne entstehen. Für die Kommunen günstige Bilanzierungsmöglichkeiten haben das jahrelang trotzdem ermöglicht. Entsprechend haben viele Kommunen Gewinne aus den Abwassergebühren genutzt, um Haushaltslöcher zu stopfen. Deshalb hat die Entscheidung des OVG im Musterverfahren gegen die Stadt Oer-Erkenschwick auch Auswirkungen auf die Abwassergebühren in allen anderen NRW-Städten.
Wie hat das im Detail funktioniert? An dieser Stelle wird es leider kompliziert. Kurz zusammengefasst lässt sich aber sagen, dass viele Städte die sogenannten kalkulatorischen Zinsen zu hoch angesetzt und sich die Inflation in ihrer Gebührenberechnung zusätzlich doppelt ausgeglichen haben.
Für das Geld, dass für den Bau von Abwasseranlagen ausgegeben wurde, können sich Städte bei den Abwassergebühren Zinsverluste erstatten lassen. Der Grundgedanke dabei: Hätte die Stadt das Geld nicht für den Bau der Abwasseranlagen ausgegeben, sondern auf dem städtischen Konto belassen, wurden damit schließlich Zinsgewinne erzielt, die jetzt ausbleiben. Andersherum können Städte, die ihre Abwasseranlagen über einen Kredit finanziert haben, die dafür anfallenden Zinsen in die Gebührenkalkulation einbeziehen. Allerdings haben viele Städte in beiden Konstellationen Zinsen zugrunde gelegt, die zu hoch waren und das Niedrigzinsniveau der letzten Jahre nicht berücksichtigt hat – in vielen Fällen waren das Zinsen in Höhe von sechs Prozent.
Auch den Wertverlust der Abwasseranlagen durch Abnutzung und Alterung können sich Städte über die Gebühren erstatten lassen. Für diese Abschreibungen können Städte in NRW grundsätzlich zwischen dem niedrigeren Anschaffungswert oder dem höheren Wiederbeschaffungszeitwert – also dem Neuwert – entscheiden. Viele Städte haben diesen höheren Widerbeschaffungswert der Abwasseranlagen als Basis für ihre Abschreibungen genommen und sich zusätzlich kalkulatorische Zinsen auf Basis des hohen Nominalzinssatz erstatten lassen. Dieser Nominalzinssatz beinhaltet aber bereits die Inflationsrate. Kombiniert eine Stadt also die Abschreibung nach Wiederbeschaffungszeitwert und die hohen Zinsen auf dem Niveau des Nominalzinssatzes, lässt sie sich die Inflation von ihren Bürgern doppelt ausgleichen.
Das Oberverwaltungsgericht Münster hat zunächst betont, dass die Abwassergebühren den stetigen und dauerhaften Betrieb der Abwasseranlagen sichern sollen – nicht mehr und nicht weniger. Als ansatzfähige kalkulatorische Zinsen sollte nicht mehr wie bisher der 50-jährige sondern nun ein zehnjähriger Durchschnittszins herangezogen werden. Außerdem entschied das OVG, dass bei einer Abschreibung über den höheren Wiederbeschaffungszeitwert kein doppelter Inflationsausgleich mehr vorgenommen werden darf. In diesen Fällen müsste bei den kalkulatorischen Zinsen zusätzlich die Inflation abgezogen werden.
Das lässt sich pauschal nicht beantworten, da die einzelnen Städte sehr unterschiedliche Zinssätze angewandt haben. Zudem haben nicht alle Städte in NRW mit einem doppelten Inflationsausgleich gerechnet. Grundsätzlich haben aber die meisten Städte in NRW überhöhte kalkulatorische Zinsen angesetzt – auch deshalb, weil die Landesregierung und die Rechtsprechung dies bislang als zulässig erachtet hat.
Am Beispiel der Kalkulation der Stadt Oer-Erkenschwick kam das OVG zu dem Ergebnis, dass die Abwassergebühren 18 Prozent zu hoch waren.
Eigentlich hätten sich die Bürgerinnen und Bürger nach dem OVG-Urteil in den meisten NRW-Städten auf niedrigere Abwassergebühren freuen dürfen. Denn das Gericht in Münster hatte bei seinem Urteil im Mai 2022 klare Vorgaben gemacht, wie eine angemessene Gebührenkalkulation auszusehen hat. Es hat außerdem gefordert, dass das Land NRW den Städten klare Regeln für die Berechnung der Abwassergebühren auflegt. Leider hat die Landesregierung das Gegenteil umgesetzt. Zwar hat sie im Dezember 2022 ein Gesetz verabschiedet, das den Kommunen vorschreibt, wie sie Abwassergebühren in Zukunft berechnen soll. Allerdings hat die Landesregierung mit diesem Gesetz die Uhr zurückgedreht und versucht, die Abrechnungspraxis vor dem OVG-Urteil nachträglich zu legitimieren. Ziel sei gewesen, das bisherige Gebührenaufkommen zu sichern. Entsprechend enttäuscht ist auch der Verband Wohneigentum NRW, der ebenfalls eine Musterklage gegen die Abwassergebühren unterstütz hat. „Das neue Gesetz führt das OVG-Urteil ad absurdum: Die Ministerin behauptet, das Gebührenaufkommen müsste gleichbleiben, damit man das Kanalnetz erhalten und für die Zukunft sichern könnte. Dabei war genau das Gegenteil überhaupt Anlass für das Urteil der Richter. Die Richter des OVG haben klare Vorgaben gemacht, wie Abwassergebühren angemessen berechnet werden. Die Kommunalministerin ignoriert diese Vorgaben und will den als unzulässig verurteilten Zustand wiederherstellen“, kommentiert Peter Preuß, Vorsitzender des Verbands.
Für zukünftige Gebührenbescheide ist zunächst also nicht mit niedrigeren Abwassergebühren zu rechnen – obwohl das OVG dies eigentlich gefordert hatte. Wie steht es aber um in den vergangenen Jahren zu viel gezahlte Abwassergebühren. Hier dürfen zumindest alle auf Erstattungen hoffen, deren Bescheide noch nicht rechtskräftig sind. Das ist der Fall, wenn Sie gegen zurückliegende Gebührenbescheide Widerspruch eingelegt oder geklagt haben. Hierbei gilt: Wurde Ihr Widerspruch bereits abgelehnt und sie haben nicht den Klageweg gewählt, werden Sie vom OVG-Urteil leider nicht profitieren. Da das OVG-Urteil noch nicht rechtskräftig ist, kann eine Entscheidung bei Ihren Widersprüchen und eine mögliche Erstattung allerdings noch dauern.
Wer gegen die zurückliegenden Abwassergebührenbescheide nicht innerhalb eines Monats nach Erhalt Widerspruch eingelegt hat, hat leider kaum Aussichten auf eine Rückerstattung der zu viel gezahlten Gebühren. Aus diesem Grund hat der Verband Wohneigentum NRW seine Mitglieder auch aufgerufen, gegen die Abwassergebührenbescheide aus 2021 Widerspruch einzulegen.
Zwar können Bürgerinnen und Bürger einen Antrag auf Rücknahme von bereits rechtskräftigen Bescheiden stellen. Ob die Kommune einem solchen Antrag stattgibt, liegt aber allein im Ermessen der Kommune. Zu einer Rücknahme rechtskräftiger Bescheide ist sie also leider nicht verpflichtet. „Wir haben gefordert, die zu viel gezahlten Gebühren allen Bürgerinnen und Bürgern zu erstatten. Das sollte eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein – auch wenn die Kommunen sich bisher im Recht gewägt haben. Leider werden Anträge auf Rücknahme bestandkräftiger Bescheide dennoch so gut wie nie Erfolg haben“, befürchtet Preuß.
Anders als vom OVG gefordert, sollen die von den Kommunen angesetzten kalkulatorischen Zinsen aus einem 30-jährigen Durchschnitt errechnet werden können. Zusätzlich wurden durch das Gesetz Abschreibungsmöglichkeiten erweitert. Auch dass ein doppelter Inflationsausgleich nicht mehr zulässig ist, stellt das Gesetz nicht klar. Durch all diese Punkte stellt das Gesetz nicht sicher, dass die Forderungen des OVG umgesetzt werden und keine Gewinne mit den Abwassergebühren in städtische Haushalte abfließen. „Leider zeigt die Landesregierung mit diesem Gesetz kein Interesse, Bürgerinnen und Bürger zu entlasten“, kommentiert Verbandschef Preuß.
Diese Frage lässt sich zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht beantworten. Denn auch wenn die Landesregierung die Vorgaben des OVG in ihrem Gesetz nicht aufgenommen hat, können Kommunen die Vorgaben dennoch umsetzen. Inwieweit die Städte in NRW auch ab 2023 noch überhöhte Abwassergebühren verlangen, muss sich erst noch zeigen.
Wenn Ihre Kommune bei der Kalkulation der neuen Abwassergebühren die Vorgaben des OVG-Urteils nicht berücksichtigt, könnte ein Widerspruch sinnvoll sein.