Sammelklage: Verbraucherzentrale verklagt Fernwärme-Anbieter

Die Preise für Fernwärme sind seit 2020 stark gestiegen – zu Unrecht, laut Einschätzung der Verbraucherzentrale. Daher hat der Verbraucherzentrale Bundesverband eine Sammelklage gegen die Fernwärme-Anbieter E.ON und HanseWerk Natur eingerichtet. Geschädigte können sich in die Klägerliste eintragen und so an der Klage teilnehmen.

Das Wichtigste in Kürze:

  • Preiserhöhungen sind grundsätzlich möglich, da Fernwärme-Verträge meist sogenannte Preisanpassungsklauseln enthalten.
  • Laut Verbraucherzentrale entsprechen diese jedoch bei E.ON Energy Solutions und HanseWerk Natur nicht den rechtlichen Anforderungen. Damit wären sie unwirksam.
  • Mit den Sammelklagen gegen die Fernwärmeanbieter möchte die Verbraucherzentrale Rückerstattungen für die Betroffenen erstreiten.
  • Von einer möglichen Rückzahlung profitieren allerdings nur die eingetragenen Kläger. Der Eintrag ins Klageregister ist aktuell beim Bundesamt für Justiz möglich – auch online.
Fernwärme Schriftzug  © Finecki – stock.adobe.com
Steigende Koste für Fernwärme: Verbraucherzentrale verklagt Fernwärme-Anbieter 

Das Wichtigste in Kürze:

  • Preiserhöhungen sind grundsätzlich möglich, da Fernwärme-Verträge meist sogenannte Preisanpassungsklauseln enthalten.
  • Laut Verbraucherzentrale entsprechen diese jedoch bei E.ON Energy Solutions und HanseWerk Natur nicht den rechtlichen Anforderungen. Damit wären sie unwirksam.
  • Mit den Sammelklagen gegen die Fernwärmeanbieter möchte die Verbraucherzentrale Rückerstattungen für die Betroffenen erstreiten.
  • Von einer möglichen Rückzahlung profitieren allerdings nur die eingetragenen Kläger. Der Eintrag ins Klageregister ist aktuell beim Bundesamt für Justiz möglich – auch online.

Worum geht es bei der Sammelklage zur Fernwärme?

Seit 2020 haben die Fernwärme-Anbieter E.ON Energy Solutions und HanseWerk Natur ihre Preise vervielfacht – auch in NRW. Die Verbraucherzentrale nennt das Versorgungsgebiet Erkrath-Hochdahl bei Düsseldorf als Beispiel: Hier hatte E.ON zwischen 2020 und 2022 von 6,18 auf 23,24 Cent pro Kilowattstunde erhöht und den Preis damit nahezu vervierfacht. Bei HanseWerk Natur gab es einen vergleichbaren Anstieg z. B. im Gebiet Eichenring bei Hohenlockstedt: Hier wurde von 5,64 auf 32,37 Cent pro Kilowattstunde erhöht. Als Begründung für die Preissteigerung der Fernwärme nannten die Betreiber insbesondere die gestiegen Weltmarktpreise für Erdgas.

E.ON Energy Solutions und HanseWerkNatur

Die E.ON Energy Solutions GmbH ist ein deutsches Unternehmen der E.ON SE und im Bereich Fernwärme in mehreren Bundesländern, darunter auch NRW, vertreten. Die HanseWerk AG gehört als Regionalgesellschaft ebenfalls zum E.ON-Konzern und ist vorwiegend in Norddeutschland aktiv. Das Tochterunternehmen HanseWerk Natur betreibt rund 150 Wärmenetze unter anderem in Schleswig-Holstein und Hamburg.

Um bei der Fernwärme einen solchen Preisanstieg durchzusetzen, berufen sich die Anbieter auf Preisänderungsklauseln. Diese sind Teil der Verträge zwischen Anbieter und Kunde und sollen eine nachträgliche Preisanpassung ermöglichen, z. B. wenn Preise für verwendete Rohstoffe steigen (oder fallen). Laut vzbv (Verbraucherzentrale Bundesverband) genügen die Klauseln allerdings nicht den rechtlichen Anforderungen. 2023 hat er daher entschieden, gerichtlich gegen die beiden Anbieter vorzugehen und Sammelklagen einzurichten. Im November 2023 wurde die Klage gegen E.ON am Oberlandesgericht Hamm eingereicht. Die Klage gegen HanseWerk Natur ging zeitgleich vor das Schleswig-Holsteinische Oberlandesgericht in Schleswig. Ziel ist es, für die Geschädigten Rückerstattungen zu erstreiten.

Was kritisiert die Verbraucherzentrale?

Die Verbraucherzentrale wirft E.ON und HanseWerk Natur vor, rechtlich unwirksame Preisanpassungsklauseln zu verwenden. Diese enthalten Formeln, die zur Berechnung des Fernwärme-Preises dienen und unter anderem den Erdgasbörsenindex mit einbeziehen. Hier kritisiert die Verbraucherzentrale, dass der errechnete Preis nicht auf den tatsächlichen Beschaffungskosten beruht. Es werde auch nicht berücksichtigt, dass Fernwärme nur zu einem Teil aus Erdgas entsteht und daneben auch Bioerdgas, Abwärme und anderen Energiequellen nutzt.

Daher behauptet die Verbraucherzentrale, dass diese Klauseln nicht den gesetzlichen Anforderungen entsprechen. Die damit erzielten Einnahmen dienten somit der ungerechtfertigten Bereicherung, woraus für die Verbraucher ein Rückanforderungsanspruch entsteht. Konkret geht es um Preiserhöhungen, die ab 2021 vorgenommen wurden. Mit den Sammelklagen fordert der Bundesverband eine rückwirkende Anpassung der Preise zum 31. Dezember 2020; danach erfolgte Preissteigerungen sollen zurückgenommen werden. Geschädigte würden die zu viel gezahlten Beiträge erstattet bekommen. Zudem sollen die Formeln auch für künftige Beitragserhöhungen nicht wieder verwendet werden dürfen.

Die Problematik rund um die Preiserhöhung für Fernwärme wird weiter verstärkt durch den Umstand, dass es auf dem deutschen Fernwärmemarkt in der Regel wenig bis keine Wahlfreiheit für Verbraucher gibt. Über den kommunalen Anschluss- und Benutzungszwang können Kommunen Hauseigentümer zur Fernwärme verpflichten. Hinzu kommt, dass Fernwärme-Anbieter in ihrem Versorgungsgebiet das Monopol innehaben. Somit fehlt den Kunden die Möglichkeit, bei einer Preissteigerung den Anbieter zu wechseln. Auch die lange Laufzeit der Verträge bindet die Kunden.

Wer kann sich der Sammelklage anschließen?

Eine Klage ist möglich für Kunden, die einen Fernwärmevertrag mit E.ON Energy Solutions oder HanseWerk Natur haben. Die Zugehörigkeit zu einem bestimmten Versorgungsgebiet ist dabei nicht von Bedeutung. Klagen kann jedoch nur der Vertragsinhaber. Haben mehrere Personen den Vertrag abgeschlossen, sollte sich jeder separat anmelden.

Ob Sie die Voraussetzungen für die Teilnahme an der Sammelklage erfüllen, erfahren Sie beim Klage-Check der Verbraucherzentrale für E.ON  bzw. HanseWerk Natur. Hierfür brauchen Sie Ihre Vertragsunterlagen bzw. Abrechnungen, um zu prüfen, ob die fraglichen Formeln auch in Ihrem Fall verwendet wurden. Sie müssen keine Daten zu Ihrer Person oder Ihrem Vertrag eingeben.

Bei Kunden von E.ON bezieht sich die Sammelklage auf die Formel, nach der die Preiserhöhung berechnet wurde. Eine Klage ist möglich, wenn die Formel mindestens einen der folgenden Berechnungsfaktoren enthält:

  • „Erdgas, Börsennotierungen“
  • „Erdgas, bei Abgabe an Handel und Gewerbe“

Beide Faktoren müssen zusammen mindestens zu 60 % in die Berechnung einfließen. Informationen zur verwendeten Formel finden Sie in den Preisblättern, die Sie mit der Jahresabrechnung erhalten. Als zusätzliche Bedingung gilt, dass Sie mit Ihrem Betreiber noch keine gütliche Einigung geschlossen haben.

Wichtig: Ansprüche aus überhöhten Beitragsforderungen verjähren regulär nach drei Jahren. Bei einem laufenden Klageverfahren gilt diese Verjährungsfrist nicht.

Wie funktioniert die Sammelklage?

Bei der Sammelklage gegen die Fernwärme-Anbieter E.ON und HanseWerk Natur handelt es sich um eine sogenannte Abhilfeklage. Sie zielt auf zwei Dinge ab:

  • Feststellung: Zunächst geht es darum, festzustellen, ob der Fernwärme-Preisanstieg rechtswidrig war und die Ansprüche der Betroffenen berechtigt sind. (Bei einer reinen Musterfeststellungsklage müssen die Betroffenen anschließend selbst tätig werden, um diese Ansprüche gerichtlich durchzusetzen – dies ist hier aber nicht der Fall.)
  • Leistung: Ziel ist, dass das Gericht die Fernwärme-Anbieter zur Rückerstattung der überhöhten Beiträge verurteilt. Die Betroffenen erhalten die Zahlungen, ohne weitere Schritte unternehmen zu müssen.

Die Teilnahme an der Sammelklage ist für Verbraucher kostenlos. Für die Finanzierung ist die Verbraucherzentrale zuständig. Auch im Falle einer gerichtlichen Niederlage entstehen für die Teilnehmer keine Kosten.

Wenn die Klage erfolgreich war und das Gericht die Betreiber zur Rückerstattung verurteilt, wird zunächst ein Sachwalter beauftragt. Dieser prüft für jeden Teilnehmer einzeln, ob seine Ansprüche berechtigt sind und in welcher Höhe die Rückerstattung erfolgt. Die Verbraucherzentrale geht in Einzelfällen von Rückerstattungen von bis zu 3.500 Euro aus.

Für wen ist die Sammelklage sinnvoll?

Grundsätzlich können Sie als Verbraucher bei der Sammelklage der Verbraucherzentrale nicht viel falsch machen. Im Erfolgsfall können Sie die Preiserhöhung für Fernwärme gewissermaßen „rückgängig machen“ und zu viel gezahlte Beiträge zurückfordern. Gleichzeitig gehen Sie nur ein geringes Risiko ein: Falls die Verbraucherzentrale in der gerichtlichen Auseinandersetzung unterliegt, müssen Sie keine finanziellen Konsequenzen tragen. Bei einem abschlägigen Gerichtsurteil ergibt sich für Sie lediglich der Nachteil, dass das Urteil für Sie rechtlich bindend ist. Sie können also E.ON bzw. HanseWerk Natur nicht erneut wegen unzulässiger Preisänderungsklauseln verklagen.

Die Teilnahme an der Sammelklage gegen die Fernwärme-Anbieter steht allen Privatpersonen offen. Im Erfolgsfall werden jedoch Ihre Angaben und Ansprüche von einem unabhängigen Sachwalter geprüft. Daher lohnt sich die Teilnahme nur, wenn Ihr Vertrag die fraglichen Preisanpassungsklauseln enthält und auf dieser Grundlage Preiserhöhungen stattfanden.

Schritt-für-Schritt-Anleitung

Rufen Sie das Online-Formular für die Eintragung ins Klageregister[NH1]  für E.ON bzw. HanseWerk Natur [NH2]  auf. Die Formulare stehen unter dem Stichwort „Öffentliche Bekanntmachungen im Verbandsklageregister“ auf der Internetseite des Bundesjustizamts zur Verfügung. Hier finden Sie auch einen Link zur ausführlichen Ausfüllanleitung des Bundesamts für Justiz.

Hinweis: Wenn Sie sich nicht online anmelden möchten, können Sie das Formular postalisch anfordern und von Hand ausfüllen. Sie erhalten es direkt beim Bundesamt für Justiz, Klageregister, 53094 Bonn.

So gehen Sie anschließend vor:

  1. Geben Sie unter Punkt I an, ob Sie als Verbraucher oder kleines Unternehmen (weniger als 10 Mitarbeiter, Jahresumsatz unter 2 Millionen) klagen.
  2. Punkt II erfordert Vor- und Zunamen des Vertragsinhabers. Falls der Vertrag auf mehrere Personen läuft, sollte sich jede separat anmelden.
  3. Tragen Sie bei Punkt III Ihre Anschrift ein. An die hier eingetragene Adresse erhalten Sie anschließend die Anmeldebestätigung.
  4. Punkt IV, „Vertretung“ bezieht sich auf die Vertretung durch einen Anwalt oder gesetzlichen Vormund bzw. bei einer Eigentümergemeinschaft durch den Verwalter. Die Verbraucherzentrale als Klägerin ist nicht die Vertretung. Wenn Sie sich als Privatperson anmelden, können Sie die Felder freilassen.
  5. Die Angaben zur Beklagten unter Punkt V sind bereits vorausgefüllt und können nicht verändert werden.
  6. Unter Punkt VI müssen Sie Gegenstand und Grund der Klage als Freitext eintragen. Dies ist wichtig, damit Ihre Anmeldung wirksam ist. Passende Textbausteine erhalten Sie unproblematisch beim Klage-Check der Verbraucherzentrale (ohne Angabe von Vertrags- oder persönlichen Daten).
  7. Punkt VII bezieht sich auf die Höhe des Zahlungsanspruchs. Die Verbraucherzentrale empfiehlt, es leer zu lassen.
  8. Anschließend müssen Sie noch den Hinweis zur Datenverarbeitung als gelesen markieren und mit einem weiteren Häkchen bestätigen, dass all Ihre Angaben richtig und vollständig sind.
  9. Nun können Sie das Formular abschicken. Dabei wird automatisch geprüft, ob alle Pflichtfelder ausgefüllt sind.
  10. Sie erhalten eine schriftliche Anmeldebestätigung per Post, die Sie für den weiteren Verlauf aufbewahren sollten.
  11. Wenn sich die Voraussetzungen ändern oder Sie sich anders entscheiden, können Sie sich problemlos wieder vom Klageregister abmelden oder Ihre Angaben ändern. Hierfür stellt das Bundesjustizamt separate Formulare zur Verfügung. Allerdings ist die Abmeldung nur bis drei Wochen nach der letzten mündlichen Verhandlung möglich.

Hinweis: Änderungen zu Punkt VI (Gegenstand und Grund) sind nur möglich, solange das Klageregister geöffnet ist. Ihre Angaben zu II, III und IV können Sie jederzeit ändern. Für die Änderungen benötigen Sie das Geschäftszeichen, das in der Anmeldebestätigung zu finden ist.