Nach SPD und teilweise den Grünen spricht sich nun auch die FDP für die Abschaffung der Straßenausbaubeiträge aus. Eine entsprechende Forderung haben die Freien Demokraten auf ihrem NRW-Parteitag im Januar 2022 in ihr Wahlprogramm aufgenommen. „Vor der Landtagswahl wird den Parteien immer klarer, dass diese Anliegerbeiträge ungerecht sind. Wir fordern sie deshalb auf, die Straßenausbaubeiträge noch vor der Landtagswahl vollständig abzuschaffen“, sagt Michael Dröge, stellvertretender Vorsitzender des Verband Wohneigentum NRW.
Dass sich nun auch eine der nordrhein-westfälischen Regierungsparteien für die Abschaffung ausspreche, sei ein gutes Zeichen. Die Chancen für die Abschaffung seien noch nie so groß gewesen.
Widerstand in der Bevölkerung groß
Auch in der Bevölkerung formiert sich erneut heftiger Widerstand gegen die Kostenbeteiligung von Anliegern für den Straßenausbau. Zum Beispiel im Münsterland: Hier haben sich Bürgerinitiativen aus der ganzen Region – unter anderem aus Gescher, Rheine, Havixbeck und Hamminkeln – zusammengeschlossen und machen gemeinsam wieder gegen die Abgaben mobil. „Die Politik wird nach wie vor mit einem umfassenden Widerstand aus der Bevölkerung gegen die hohen Beiträge konfrontiert. Sie sind ein unberechenbarer Kostenfaktor für Wohneigentümer. Deshalb muss die Abschaffung kommen. Und zwar so schnell wie möglich“, erklären Franziska Biringer und Dr. Felix Blomberg von der Münsterland-Gruppe „Straßenbaubeiträge in NRW abschaffen“.
Halbierung der Beiträge nicht ausreichend
Andere Bundesländer sind in dieser Sache indes bereits weiter: NRW zählt zu den wenigen Bundesländern, in denen die Beiträge überhaupt noch erhoben werden. Die Forderung der Abschaffung ist aber auch in NRW nicht neu. Bereits 2018 rief der Verband Wohneigentum gemeinsam mit dem Bund der Steuerzahler zur Unterstützung einer entsprechenden Volksinitiative auf. Auch zahlreiche Bürgerinitiativen – darunter die Bündnispartner aus dem Münsterland – sammelten damals Unterschriften. Nachdem fast eine halbe Million NRW-Bürger die Petition unterzeichnet hatte, legte die aktuelle Landesregierung 2020 ein Förderprogramm zur Halbierung der Beiträge auf. „An der Ungerechtigkeit der Abgabe hat das nichts geändert. Die Verteilungsmaßstäbe bleiben schief, der bürokratische Aufwand übersteigt die Einnahmen und Bürgerinnen und Bürger sind auf das Wohlwollen der Kommunen angewiesen, für sie die Förderung zu beantragen“, resümiert Dröge.
Aktuelle Zahlen der Landesregierung zeigen zudem, dass von den für die Halbierung der Beiträge angesetzten 65 Millionen Euro Landesmitteln bis Januar 2022 lediglich 9,7 Millionen Euro abgerufen wurden. So oder so – für die Bürgerinnen und Bürger und auch den Verband Wohneigentum war das Thema Straßenbaubeiträge mit dem Förderprogramm nicht vom Tisch. „Die Beiträge belasten die Menschen existenziell – daran hat sich nichts geändert“, wissen Biringer und Blomberg.
Straßenausbau ist Aufgabe der Allgemeinheit
Zum Hintergrund: Wenn kommunale Straßen in NRW erneuert oder verbessert werden, legt die Gemeinde einen großen Teil der Kosten auf anliegende Grundstückseigentümer um. Diese sogenannten Straßenausbaubeiträge können schnell zur Existenzbedrohung werden – so oder so sind sie eine hohe Belastung für die Anwohner. „Hinzu kommt: Mit den Beiträgen zahlen Eigentümer häufig die Zeche, wenn Kommunen die Instandhaltung von Straßen über Jahre vernachlässigt haben“, berichtet Dröge. Denn die reine Instandhaltung können Kommunen nicht umlegen, den Ausbau aber schon. Auch die Argumente, die von den Befürwortern der Beiträge ins Feld geführt werden, sind aus Sicht des Verband Wohneigentum NRW sowie der Bürgerinitiativen falsch: Weder seien es Anlieger, die im großen Maß für die Abnutzung der Straßen verantwortlich seien, noch profitierten Wohneigentümer von einer Wertsteigerung der eigenen Immobilien, die im Verhältnis zu den Kosten der Straßensanierung stünden. „Die Aufrechterhaltung von Verkehrsinfrastruktur ist Daseinsvorsorge und damit eine staatliche und gesamtgesellschaftliche Aufgabe – nicht die Pflicht Einzelner. Und von fiktiven Wertsteigerungen einer Immobilie haben selbstnutzende Wohneigentümer keinen Vorteil“, meint Dröge.