„Landeseinheitliche Lösung wäre weder fair noch zielführend“ Interview mit NRW-Finanzminister Dr. Marcus Optendrek

Grundsteuer-Reform, Heizungsgesetz, Energiekrise, hohe Zinsen: Viele Wohneigentümerinnen und -eigentümer sind verunsichert, ob sie sich ihren Traum von den eigenen Wänden auch in Zukunft noch leisten können. Über diese Sorgen und was das Land NRW in Sachen Grundsteuer, Freibetrag bei der Grunderwerbsteuer und Eigentumsförderung plant, haben wir mit dem Finanzminister des Landes Nordrhein-Westfalen, Dr. Marcus Optendrenk, gesprochen.

Interview-Situation mit NRW Minister Dr. Marcus Optendrenk  © Mark Hermenau
NRW-Finanzminister Dr. Marcus Optendrenk spricht im Interview mit dem Verband Wohneigentum NRW über die Grundsteuer, die Grunderwerbsteuer und Eigentumsförderung. 


Bislang war die Grundsteuer-Reform für Wohneigentümer ein Graus. Aber auch Sie hatten mit der Reform eine Menge Arbeit, die Ihnen vor allem der Bund oder Ihre Vorgänger eingebrockt haben. Machen Sie drei Kreuzzeichen, wenn der Spuk vorbei ist?

Dr. Optendrenk: Die Umsetzung dieser Reform war für sehr viele Menschen und Institutionen eine Mammutaufgabe. Das gilt auch und in besonderem Maße für die Finanzverwaltung in Nordrhein-Westfalen, die mit großem personellem Einsatz die Grundlage dafür gelegt hat, dass alle Daten vorliegen und die Kommunen ab 2025 ihre Grundsteuer auf neuer rechtlicher Basis erheben können. Aber natürlich haben die Diskussionen der vergangenen Jahre und Monate auch zu Unsicherheit bei den Menschen und Unternehmen in unserem Land geführt – es ist gut, dass alsbald für alle Klarheit herrschen wird, wie die Grundsteuer in ihrer Heimat ausgestaltet wird.

Ohne Gegensteuern macht die Grundsteuerreform das Wohnen im nächsten Jahr teurer. Die Landesregierung will das verhindern – allerdings nicht NRW-weit, sondern indem jede Stadt individuell eine Grundsteuer-Ermäßigung für Wohngrundstücke beschließen kann. Warum haben Sie sich für diesen Weg entschieden und wie bekommt man die Städte dazu, diese neue Möglichkeit auch zu nutzen?
 
Dr. Optendrenk: Es ist in der Tat so, dass vielerorts die Grundsteuer für Ein- und Zweifamilienhäuser durch das Bundesmodell steigen würde, während die Grundsteuer bei Gewerbeimmobilien deutlich fiele. Aber eben nicht überall. Nordrhein-Westfalen ist ein vielfältiges Flächenland und es macht einen großen Unterschied für die Frage einer gerechten Besteuerung, ob ich an die Häuslebauer auf dem Land denke oder an Investoren mit Luxuswohnungen in den Ballungszentren, die über Jahrzehnte erheblich von den Berechnungsgrundlagen der Grundsteuer aus den 60ern profitiert haben. Eine landeseinheitliche Regelung wäre keine faire und zielführende Lösung gewesen, davon bin ich überzeugt. Es gibt ja Gründe, warum die Grundsteuer eine kommunale Steuer ist und warum die Kommune auch immer schon über die Höhe des Hebesatzes entscheidet: Weil vor Ort diejenigen sitzen, die am besten wissen, was für ihre Stadt oder Gemeinde richtig ist.

Eröffnungsrede zur Landesversammlung
des Verband Wohneigentum NRW 2024:
Dr. Marcus Optendrenk
Minister der Finanzen des Landes Nordrhein-Westfalen

Nach all der Diskussion: Ist es nicht grundsätzlich an der Zeit, über Alternativen zur Grundsteuer nachzudenken?

Dr. Optendrenk:  Die Grundsteuer ist neben der Gewerbesteuer eine der tragenden Säulen der Kommunalfinanzierung. Sie ist erforderlich, um die vielfältigen kommunalen Aufgaben zu finanzieren. Ich möchte keine Tendenz befördern, welche die Selbstverwaltung unserer Kommunen schleift und uns einem reinen Zuweisungssystem näherbringt. Zumal ich kaum glaube, dass irgendjemand Lust auf eine erneute Reform hat. Wichtiger ist jetzt, Ruhe und Verlässlichkeit in diese Angelegenheit zu bekommen, damit Grundstückseigentümerinnen und -eigentümer Klarheit haben und die Kommunen sich ihren wichtigen Aufgaben widmen können, gerade in diesen herausfordernden Zeiten.

Wer die Wohnkrise lösen will, muss auch das selbstgenutzte Wohneigentum fördern. Das hat die Landesregierung erkannt und sich zum Ziel gemacht, die Bildung von Wohneigentum für junge Menschen und Familien zu vereinfachen. Ist das angesichts der angespannten Haushaltslage sowie steigender Zinsen und Baupreise überhaupt noch möglich?

Dr. Optendrenk: Die Wohnraumförderung und insbesondere auch die Förderung von Wohneigentum sind wichtige Anliegen dieser Landesregierung. Deshalb gibt es über die NRW-Bank gezielte Zinsverbilligungsprogramme für selbstgenutztes Wohneigentum gerade für junge Familien. Alle diese Eigentumsförderprogramme wurden erst im vergangenen Jahr mit verbesserten Konditionen ausgestattet. Darlehen mit fester 30-jähriger Zinsbindung beispielsweise unterstützen vor allem Haushalte mit kleinen und mittleren Einkommen in Nordrhein-Westfalen. Ich halte das für eine sehr wirksame Fördermöglichkeit des Wohneigentums.

Der NRW-Zuschuss zur Grunderwerbsteuer konnte aufgrund des angespannten Landeshaushalts nicht fortgeführt werden. Die Mittel waren 2023 sogar schneller ausgeschöpft als gedacht. Sehen Sie noch Chancen für den im Koalitionsvertrag vereinbarten Steuer-Freibetrag beim Hauskauf?

Dr. Optendrenk: Das Förderprogramm wurde nicht vorzeitig beendet, sondern im Gegenteil sogar verlängert. Aber in Zeiten steigender Zinsen ergibt eine Förderung über eine Zinsverbilligung mehr Sinn. Nordrhein-Westfalen unterstützt die von der Bundesregierung angekündigte flexiblere Gestaltung der Grunderwerbsteuer – aber auf Bundesebene ist bislang keine Gesetzesinitiative auf dem Weg. Diese brauchen wir, um entsprechende Maßnahmen für unser Land beraten und umsetzen zu können.

Was wollen Sie tun, wenn sich beim Grunderwerbsteuer-Streit zwischen Ländern und dem Bund weiter nichts bewegt?

Dr. Optendrenk: Ich glaube, zuerst brauchen wir Lösungen, um wieder mehr Wohnungsbau zu ermöglichen. Ich habe mich im Vermittlungsausschuss zum Wachstumschancengesetz für eine Fokussierung auf wachstumsfördernde Maßnahmen eingesetzt – dazu gehörte die Verbesserung der Abschreibungsbedingungen für den Wohnungsbau. Aber wenn die Ampel zugleich Unsicherheit durch fragwürdige neue Regelungen wie das Heizungsgesetz schürt, ist das absolut kontraproduktiv, um die Wohnungsbaukonjunktur anzukurbeln.

Die Grunderwerbsteuer ist eine Hürde beim Immobilienkauf. Die hohen Preise und Zinsen sind aber das deutlich größere Problem. Was halten Sie von zinsreduzierten Nachrangdarlehen oder der Absetzbarkeit von Immobilien-Zinsen, um die Wohneigentumsbildung zu fördern?

Dr. Optendrenk: Das sind ja exakt Punkte, bei denen unsere Landesförderung über die NRW-Bank ansetzt. Aber die Probleme liegen ja nicht allein bei den hohen Zinsen. Hier haben wir schon ganz andere Zeiten erlebt, wir sind durch die extreme Niedrigzinsphase vielleicht ein wenig verwöhnt. Entscheidender ist doch vielmehr, dass der Bau von Immobilien viel zu schwierig und teuer ist. Das schreckt gerade Privatleute massiv ab. Die Summe der Bauvorschriften muss drastisch reduziert werden. Hier geht unsere Bauministerium Ina Scharrenbach für Nordrhein-Westfalen voran: weniger Vorschriften für mehr Bau. Das ist unser Ziel.

Viele ältere Eigentümer stehen vor dem Problem, dass ihr Eigenheim oder ihre Wohnung für sie zu groß geworden ist. Können steuerliche Anreize für neue Einliegerwohnungen oder den Wohnungstausch eine Lösung in der Wohnkrise sein?

Dr. Optendrenk: Man kann nicht alle Probleme mit Geld lösen: Soziale und emotionale Bindungen an den Wohnort sind nicht bezahlbar. Aber wenn wir bei den jungen potenziellen Käufern ansetzen: Wer heute ein Haus der Großelterngeneration für 450.000 Euro kaufen und ein Drittel seines Einkommens für die Tilgung ausgeben möchte, der muss 8.500 Euro brutto im Monat verdienen – damit wird die Spanne der jungen Familien, die sich den Traum von den eigenen vier Wänden erfüllen können, ziemlich klein. Sie brauchen deshalb unsere Förderung und erhalten sie in Nordrhein-Westfalen sehr zielgerichtet.